Kommunizierst du im Beruf anders als in Familie?

18.06.2025 | Blogartikel

Wie redest du mit denen, die dir am wichtigsten sind? Warum gerade zu Hause gute Kommunikation oft am schwersten ist – und welche kleinen Impulse Großes bewirken können
Themen in diesem Beitrag: GFK | Kommunikation | WorkLifeResonanz

Ich bin eigentlich ein sehr netter Mensch. So im Großen und Ganzen. Zumindest finde ich das. Nur – zu Hause ist das mit dem Nettsein so eine Sache.

Mit fremden Kindern konnte ich früher stundenlang Geduld haben. Bei meinen eigenen war ich schneller „aus dem Häuschen“, als mir lieb war. Mit Kolleg:innen bin ich freundlich und zugewandt. Bei meinem Partner genügt manchmal ein falsches Wort – und der Vorwurf kommt mir schneller über die Lippen, als ich denken kann.
Ich sage draußen: „Mir geht’s prima!“ – und bin in dem Moment überzeugt davon. Zuhause jammere ich über alles, was nicht klappt – und dass die Welt einfach ungerecht ist.

Und dann? Wenn ich nicht freundlich bin, fühle ich mich mies. Weil ich mich ja eigentlich anders kenne. Weil ich gerade die Menschen, die mir am nächsten sind, nicht verletzen möchte.

Warum ist das so? Warum fällt es uns gerade bei denen, die wir lieben, so schwer, freundlich, offen und geduldig zu sein?

Ich habe darüber nachgedacht.


1. Weil emotionale Nähe und alte Erfahrungen Trigger verstärken

Je näher uns ein Mensch ist, desto verletzlicher sind wir. In langjährigen Beziehungen – ob als Paar, Eltern oder erwachsene Kinder – gibt es einen ganzen Erfahrungsschatz an schönen und manchmal auch schmerzhaften Momenten. Diese wirken in uns weiter, oft unbewusst. Und sie machen dünnhäutig.

„Meine Mutter ist zu allen anderen super nett. Nur bei mir vergisst sie das DANKE“, erzählte mir kürzlich eine Teilnehmerin. Ein einziger Satz kann da genügen – und das innere Alarmsystem springt an. Wir reagieren über, obwohl der Anlass vielleicht harmlos war. Denn es geht nicht nur um das Jetzt – sondern um viele Gestern.


2. Weil wir uns sicher fühlen – und die Maske fallen lassen

Den ganzen Tag sind wir in beruflichen Rollen – als Vorgesetzte oder Lehrer, als Polizistin oder Unternehmer müssen wir klare Aussagen machen, unliebsame Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen. Wir zensieren uns und unser Verhalten. Wir reißen uns zusammen, überhören manches und  bleiben geduldig – obwohl wir machmal lieber aus der Haut fahren möchten (und ein Gewitter durchaus die Luft reinigen könnte). Zu Hause dann sind wir einfach nur da. Und unbewusst haben wir das Vertrauen, dass die anderen es aushalten, wenn wir gereizt und manchmal auch ungerecht reagieren. Emotionale Sicherheit führt paradoxerweise häufig zu Nachlässigkeit, weil es Kraft kostet, immer freundlich und geduldig zu bleiben.  Dann kommunizieren wir nicht „böser“ – nur ungefilterter.


3. Wir sprechen mit Erwartungen – nicht mit Menschen

„Er sollte doch wissen, wie es mir geht.“ „Sie müsste das endlich gelernt haben.“
„Du musst das doch verstehen!“

In engen Beziehungen kommunizieren wir oft aus einer Haltung voller Erwartungen – an die anderen, an uns selbst, an das Miteinander. Wenn diese nicht erfüllt werden, sind wir enttäuscht. Doch das sagen wir selten direkt. Stattdessen nörgeln, seufzen, schweigen wir. Und wundern uns, warum der oder die andere „einfach nichts versteht“.


4. Weil wir in Rollen stecken

Auch in der Familie rutschen wir oft in feste Rollen hinein: Die eine übernimmt immer die Planung, der andere folgt. Wir entscheiden, wohin es in den Urlaub geht oder welcher Film geschaut wird – und es macht uns nichts aus. Bis zu dem Moment, an dem wir spüren: Jetzt möchte ich das nicht mehr. Jetzt bin ich müde vom Entscheiden. Vielleicht würden wir am liebsten sagen: „Weiß ich gerade auch nicht – und will ich jetzt auch nicht drüber nachdenken.“

Doch genau das irritiert. Denn das Gegenüber rechnet mit dem Vertrauten – mit der gewohnten Dynamik. Und plötzlich passt etwas nicht mehr ins Muster. Das kann zu Missverständnissen oder Konflikten führen. Nicht, weil jemand etwas falsch macht – sondern weil wir nicht immer dieselbe Rolle übernehmen wollen oder können.


5. Weil wir im Alltag auf Autopilot schalten

Manchmal sind wir einfach nur müde, wenn wir abends daheim sind. Oder im Urlaub – alles soll schön sein, aber wir wollen eigentlich einfach unsere Ruhe. Dann geht unser System in den Standby-Modus und wir wollen einfach auf Durchzug schalten. Mit denen, die uns vertraut sind, denken wir: „Da muss ich nicht so präsent sein.“  
Doch genau das wäre wichtig. Denn gute Kommunikation lebt von echter Anwesenheit – nicht nur körperlich, sondern auch innerlich.


1. Kläre berufliche Konflikte dort, wo sie hingehören – nicht am Küchentisch

Ich habe das früher oft erlebt: Im Meeting halte ich mich zurück, schlucke Ärger herunter. Im Feedbackgespräch nicke ich höflich, obwohl ich innerlich den Kopf schüttle. Und abends? Erzähle ich meinem Partner frustriert von der „unmöglichen Kollegin“ oder dem Chef, der mal wieder nichts versteht.

Das Problem: Ich lagere berufliche Spannungen ins Private aus – und meine Familie wird zum Ventil für das, was ich am Tag nicht ausgesprochen habe.

Mein Impuls: Berufliche Themen dort ansprechen, wo sie entstehen. Im Meeting sagen: „Da sehe ich das anders“, statt abends zuhause Luft abzulassen. So schaffe ich Raum für echte Begegnung daheim – weil ich dann mit ganzem Herzen da sein kann.


2. Stell eine gesunde „Fremdheit“ wieder her

Im Business behandelst du deine Kolleg:innen als eigenständige Menschen mit eigenen Meinungen, Bedürfnissen und Grenzen. Zuhause vergessen wir das manchmal.

Wir erwarten, dass der Partner „einfach weiß“, was wir brauchen. Dass die Kinder unsere Stimmung automatisch mitbekommen. Dass alle nach unseren unausgesprochenen Regeln funktionieren.

Die Realität: Auch deine Liebsten sind keine zweiten Ichs. Sie haben eigene Gedanken, Gefühle und Bedürfnisse – genau wie deine Teammitglieder auch.

Mein Impuls: Behandle deine Familie einen Tag lang so, wie du ein wichtiges Projektteam behandeln würdest: klar in der Kommunikation, aufmerksam für die Bedürfnisse der anderen, respektvoll in der Meinungsverschiedenheit.


3. Führe zuhause wie im Büro – und umgekehrt

Als Führungskraft weißt du: Die besten Teams entstehen, wenn Menschen sich sicher fühlen, ehrlich zu sein. Wenn Bedürfnisse ausgesprochen werden dürfen. Wenn Konflikte geklärt statt verschleppt werden.

Warum sollte das zuhause anders sein?

Wir führen Teams mit Fingerspitzengefühl – warum tun wir uns das in der Familie oft schwerer? Vielleicht, weil uns das Gegenüber zu vertraut ist. Weil wir dort nicht führen müssen. Aber auch hier beginnt Beziehung auf Augenhöhe: mit Herz, Klarheit – und dem Mut, hinzuschauen.


Wolf oder Giraffe? Die Wahl habe ich

Wenn ich merke, dass ich unfreundlich werde, erinnere ich mich an ein Bild aus der Gewaltfreien Kommunikation:

Der Wolf greift an, wenn er etwas braucht. Er wird laut, macht Vorwürfe, kämpft um sein Revier. Sein Bedürfnis ist berechtigt – nur die Art, wie er es durchsetzt, verletzt.

Die Giraffe hat das größte Herz aller Landtiere. In diesem Herzen ist Platz für die eigenen Bedürfnisse und die des Gegenübers. Sie kommuniziert klar – aber ohne anzugreifen.

Manchmal stelle ich mir leise die Frage: „Wer war gerade am Werk – der Wolf oder die Giraffe?“ Allein das verändert schon meine Haltung. Und eröffnet mir die Wahl, wie ich beim nächsten Mal handeln will.


Gute Kommunikation ist kein Privatvergnügen. Sie ist eine Haltung – eine Form von Führung, die überall zählt: im Team, in der Familie, mit mir selbst.

Meine Erkenntnis: Wenn ich berufliche Spannungen dort lasse, wo sie hingehören, bleibt abends mehr Raum für echtes Miteinander. Wenn ich meine Liebsten wirklich als eigenständige Menschen sehe – mit eigenen Grenzen, Bedürfnissen und Sichtweisen – wird auch zuhause Beziehung lebendig.

Meine Frage an dich:
Wo erkennst du dich wieder – bei der fehlenden Klarheit im Job oder bei der mangelnden Aufmerksamkeit zuhause?

Erzähl gerne in den Kommentaren von deinen Erfahrungen – ich bin gespannt auf den Austausch.


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Felicitas Richter

Keynote-Speaker, Autorin & Impulsgeberin

Resonanz. Resilienz. Wandel. Keynotes, Workshops & Coaching für eine resonanzfördernde Unternehmenskultur

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