Morgen geht es nach Hause. Dies ist kein Rückblick, sondern einfach das, was mir angesichts der Nachrichten aus Deutschland gerade durch den Kopf geht:

Im Frühsommer 2023 war es für mich an der Zeit, mal rauszukommen. Zeit, auf Reisen zu gehen, mich ein wenig in der Welt umzuschauen. Einfach so. Es hätte tausend Gründe gegeben, das nicht zu tun – meine Selbstständigkeit, meine vier Kinder, meine Partnerschaft, ehrenamtliche Verpflichtungen – meine fragile Gesundheit. Aber wann, wenn nicht jetzt? Freu‘ dich nicht zu spät. Einfach mal drauflos leben.

In 7 Monaten habe ich nun 12 Länder besucht. Ich habe in Zelten, im Auto, in Hostels oder unter freiem Himmel geschlafen, manchmal auch in einer wunderschönen Pension. Ich habe mit Berbern, Kambodschanerinnen, Balinesinnen und Omanis stundenlang über Götter und die Welt gesprochen. Eine Frau der Schwarzen Hmong in Vietnam, ein indonesischer Hindu-Priester, eine australische Webdesignerin, ein arabischer Kameltreiber, eine taiwanesische Tauchlehrerin, und eine junge nepalesische Lastenträgerin haben mir ihre Geschichten erzählt.

Jedes Gespräch begann mit zwei Fragen: „Woher kommst du?“ Und: „Wohin gehst du?“ Meine erste Antwort: „Ich komme aus Deutschland.“

Und dann passierte etwas, was ich nie erwartet hätte: Ein Leuchten erschien in den Augen meines Gegenübers. Freude darüber, einer Deutschen zu begegnen. Dann folgten einige Worte auf Deutsch: „Guten Abend!“ oder „Bayern München“ oder Namen wie „Muller“. Ein Kellner begrüßte mich freudig auf Deutsch: „Ich liebe dich!“ In den ersten Wochen meiner Reise war ich irritiert. Hatte ich doch erwartet, eher auf Distanz zu stoßen – das Elend, das Deutschland in der Vergangenheit über die Welt gebracht hat. Die unterschwelligen Vorbehalte der Deutschen untereinander, wenn man sich mal auf Reisen trifft. Das ständige Herummäkeln an allem, was in Deutschland nicht so toll läuft. Das hatte mein Selbstbild als Deutsche doch ganz schön ausgegraut. Nix mit Leuchten.

Dann erklärte mir ein junger Mann in einem Café in Kambodscha, die Deutschen seien seine liebsten Gäste: „Sie sind immer freundlich und vor allem dankbar für alles. Man kann sich gut mit ihnen unterhalten. Sie sind offen und großzügig.“ Echt jetzt? Wir?

Mein Reisepass ist einer der wertvollsten der Welt. Er öffnete mir problemlos die Türen in jedes Land. Bei der Wiedereinreise an der Grenze zwischen Kambodscha und Vietnam hieß es: „Sie haben kein gültiges Visum? Dann können Sie nicht passieren. Ach, Sie sind aus Deutschland? Dann können Sie 15 Tage visafrei ins Land!“

Viermal musste ich medizinisch behandelt werden. „Sie kommen aus Deutschland?“ Kein Problem.

Uns Deutschen steht die Welt offen. Wir können (fast) überall hin. Wir können es uns leisten, über den Tellerrand zu schauen und mal das Land zu verlassen. Dürfen uns freie Tage für Urlaub gönnen. Wir sind medizinisch abgesichert – egal, wo wir auf der Welt sind.

Und genau all das hat uns zu einem weltoffenen Land gemacht – dass wir über den Tellerrand schauen dürfen. Dass wir ein interessantes Land sind, in das Menschen aus der ganzen Welt gern kommen und ihre Kultur, ihre Religion, ihre Erfahrungen mitbringen. Diese Offenheit hat unsere Kultur – unsere Literatur, unsere Architektur und Kunst geprägt. Denn Reisen bildet und macht tolerant – nicht nur die, die reisen, sondern auch diejenigen, die besucht werden. Das Leuchten in den Augen der Anderen hat mir gezeigt: „Du bringst ein Stück Deutschland zu uns!“ Und das ist ein Grund zur Freude. Und eine Menge Verantwortung für mich. Denn die Welt schaut auf unser Land. Nimmt es sich zum Vorbild.

Morgen ist es an der Zeit, nach Hause zurückzukehren. Ich bin 7 Monate komplett abgetaucht. Habe kaum Nachrichten aus Europa gehört und war ganz im „Hier und Jetzt“ – in den Ländern, die ich bereiste. Habe mich mit deren Geschichte, Politik und aktueller Wirtschaftslage beschäftigt. Und viel gelernt.

Nun also zurück nach Deutschland. Will ich das? Ist Deutschland tatsächlich das Land, als was es die Welt sieht? Oder ist es ein Land im Rechtsruck? Ein Land, das sich der Welt wieder verschließen will? Menschen, die für sich bleiben wollen. Im eigenen Saft schmoren und ihr eigenes Süppchen kochen? Alle hinauswerfen, die uns ihre Welt ins Haus gebracht haben? Menschen, die dafür gesorgt haben, dass wir Türen und Herzen wieder öffnen nach all der Dunkelheit im letzten Jahrhundert?

Ein Teil von mir möchte weiterreisen und noch ein wenig in der Sonne stehen, die auf uns im Ausland (noch) fällt. Doch dann lese ich von all den Menschen auf den Straßen, den Demonstrationen und Aktionen für ein weltoffenes, tolerantes Land. Ein Land, das nicht die Augen vor den Problemen in Europa und der Welt verschließt. Ein Land voller Menschen, die die Dinge anpacken. Weil wir die Mittel dazu haben. Weil wir das Wissen dazu haben. Weil wir die Vielfalt der Menschen dazu haben, deren Wissen und Erfahrung wir nutzen können.

Noch habe ich auf die zweite Frage meines Gegenübers nicht geantwortet: „Wohin gehst du?“ Ich gehe nach Hause. In das Land, das einst die Einladung ausgesprochen hat: „Die Welt zu Gast bei Freunden.“ Wir sind ein gastfreundliches Land. Ein reiches Land. Ein privilegiertes Land. Ein mächtiges Land.

Wir sollten ein Land sein, das dafür sorgt, dass ALLE Menschen auf der Welt ein Zuhause haben. Denn Zuhause ist dort, wo man gut leben kann, wo Frieden und Sicherheit herrschen, wo Familie und Freunde sind und man willkommen ist.

Ich darf nach Hause kommen. Und bin unendlich dankbar, dass es einen Ort gibt, den ich so nennen darf. Und genau das wünsche ich jedem Menschen auf dieser Welt.

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